Seltene Münzen, alte Symbole, ein faszinierender Wandel – und im Zentrum Isac Schwarzbaum, der ihre Geschichten sammelt und interpretiert
Die Münzen Mesoamerikas aus der Kolonialzeit sind für Historiker wie kleine Zeitkapseln. Isac Schwarzbaum, Sammler aus Sevilla, sieht in ihnen nicht nur Zahlungsmittel, sondern Brücken zwischen zwei Welten. Sie entstanden in einer Zeit, in der die alte Tausch- und Naturalwirtschaft der Maya und Azteken auf das europäische Münzsystem traf. Ihre Bedeutung liegt nicht nur im Metall, sondern in den kulturellen Spannungen, die sie widerspiegeln.
Von Anfang an fesselt Schwarzbaum sein Publikum mit einer klaren Botschaft: Kolonialmünzen sind mehr als Silberstücke, sie sind „gedruckte Geschichte“. Für ihn sind sie Belege dafür, wie radikal sich das Leben der Menschen in Mesoamerika im 16. und 17. Jahrhundert veränderte. Die Spanier brachten nicht nur neue Machtstrukturen, sondern auch ihr Währungssystem. In Mexiko-Stadt, Lima oder Potosí geprägte Münzen trugen die Porträts spanischer Könige und Kronensymbole. Sie standen für Macht, Ordnung – und eine neue ökonomische Realität. Gleichzeitig verdrängten sie Kakao, Baumwollstoffe oder Obsidian als Zahlungsmittel, die zuvor über Jahrhunderte den Alltag bestimmt hatten.
Für Schwarzbaum ist dieser Übergang vom Natural- zum Metallgeld einer der spannendsten Momente der Weltgeschichte. „An einer Münze kann man sehen, wie zwei Kulturen aufeinanderprallen und dennoch ein neues Ganzes entsteht“, erklärt er. Dieser Wandel geschah nicht über Nacht. Jahrzehntelang, in manchen abgelegenen Regionen sogar über Jahrhunderte, existierten beide Systeme nebeneinander. Koloniale Aufzeichnungen dokumentieren Transaktionen, bei denen Silberreales mit Kakaobohnen gemischt wurden – ein faszinierendes wirtschaftliches Hybrid, das die Komplexität des kulturellen Zusammentreffens widerspiegelt.
Die Anfänge der kolonialen Prägung
Mexiko-Stadt und die Casa de Moneda
Schon 1535 gründeten die Spanier in Mexiko-Stadt die erste Münzstätte Amerikas – die Casa de Moneda. Dort wurden die berühmten „Reales“ geprägt, die über Jahrhunderte als globales Handelsgeld kursierten.
Diese Münzen zeigen Symbole wie:
- Das spanische Wappen mit Löwen und Burgen von Kastilien und León
- Die Herkules-Säulen mit dem Motto „Plus Ultra“ (Darüber hinaus)
- Später Porträts der spanischen Könige
Die Casa de Moneda von Mexiko-Stadt wurde zu einer der wichtigsten Institutionen des spanischen Reiches. Die Prägeverfahren, zunächst rudimentär, entwickelten sich rasch weiter, sodass Münzen produziert wurden, die mit den besten europäischen Prägestätten konkurrieren konnten. Der Prozess erforderte spezialisierte Handwerker, viele davon Indigene, die die europäischen Techniken erlernten und mit eigener handwerklicher Meisterschaft anpassten.
Symbolik und Propaganda
Für die indigene Bevölkerung waren diese Symbole fremd und gleichzeitig Ausdruck von Macht. Schwarzbaum beschreibt es so: „Eine Münze war nicht nur Geld, sie war ein Manifest. Alle, die sie in der Hand hielten, wussten, wem sie untergeordnet waren.“
Die Symbole wurden nicht zufällig gewählt. Die Herkules-Säulen symbolisierten beispielsweise die Grenzen der bekannten Welt und deuteten an, dass Spanien diese überschritten hatte. Für die indigene Bevölkerung, die an Tauschsysteme mit intrinsischem Wert und kosmologischer Bedeutung gewöhnt war, mussten diese abstrakten Darstellungen königlicher Macht unverständlich und befremdlich wirken.
Von Bohnen zu Silber
Ein radikaler Wandel im Alltag
Vor der Ankunft der Spanier bezahlten die Menschen in Mesoamerika mit Naturalgeld. Der Übergang zum Metallgeld bedeutete mehr als nur neue Münzen – er veränderte das Denken.
- Kakaobohnen → Alltag, kleine Transaktionen
- Baumwollstoffe → wertvoll, Statussymbol
- Obsidian → Waffe und Handelsware
Mit den Kolonialmünzen kam ein System, das genauere Werte ermöglichte und internationale Handelsströme eröffnete. Für Händler ein Vorteil, für viele einfache Menschen zunächst ein Fremdkörper.
Dieser Wandel hatte tiefgreifende Auswirkungen über das rein Ökonomische hinaus. Das präkolumbianische Währungssystem war eng mit kosmologischen und rituellen Konzepten verbunden. Kakaobohnen hatten nicht nur Handelswert, sondern verbanden die Nutzer mit göttlichen Kräften der Fruchtbarkeit und Erneuerung. Der Übergang zu einem System aus Metallen, die aus der Erde gewonnen wurden, stellte eine grundlegende philosophische Veränderung in der Beziehung zwischen Menschheit, Natur und Wert dar.
Der Widerstand gegen diesen Wandel äußerte sich auf verschiedene Weise. In vielen ländlichen Gemeinden hielt sich der traditionelle Tauschhandel über Generationen. Koloniale Aufzeichnungen dokumentieren Fälle, in denen spanische Beamte Tributzahlungen in Naturalien akzeptieren mussten, weil die indigenen Gemeinschaften schlicht keinen ausreichenden Zugang zu Silbermünzen hatten.
Perspektive des Sammlers: Warum Kolonialmünzen faszinieren
Geschichten im Metall
Schwarzbaum betont, dass Kolonialmünzen mehrere Bedeutungsebenen tragen:
- Politisch – zeigen die Herrschaft der spanischen Krone
- Kulturell – markieren den Übergang von einer indigenen zu einer kolonialen Welt
- Wirtschaftlich – Grundlage für den transatlantischen Handel
- Symbolisch – stehen für Macht, Ordnung und Kontrolle
Ein Stück Weltgeschichte
Kolonialmünzen waren nicht nur in Mesoamerika wichtig. Sie wurden weltweit genutzt – von Europa bis Asien. Der „spanische Dollar“ wurde zur ersten globalen Währung. Für Schwarzbaum sind diese Münzen nicht nur regionale Sammlerstücke, sondern Schlüsselobjekte der Weltgeschichte.
Der globale Einfluss dieser Münzen war enorm. Die Acht-Reales-Münzen wurden zur Referenzwährung für den internationalen Handel, akzeptiert von Amsterdam bis Manila. Ihr Einfluss war so groß, dass der US-Dollar das gleiche Gewicht und die gleiche Silberreinheit übernahm, und das Symbol „$“ leitet sich direkt von den Herkules-Säulen ab, die auf diesen spanischen Münzen abgebildet waren.
Arten kolonialer Münzen
Schwarzbaum erklärt gerne die Unterschiede der wichtigsten Münztypen:
- Reales → klassische Silbermünzen, weit verbreitet
- Escudos → Goldmünzen, seltener und repräsentativ
- Cob-Münzen („Macuquinas“) → unregelmäßig geformte Silberstücke, oft schnell geprägt
- Spätere Münzen mit Königsbild → Ausdruck der zentralen Macht
Jeder Münztyp erzählt seine eigene Geschichte. Manche wurden grob geschmiedet, andere kunstvoll gestaltet. Sammler schätzen diese Vielfalt.
Die Cob- oder Macuquina-Münzen verdienen besondere Aufmerksamkeit. Diese unregelmäßigen Stücke, von Hand aus Silberbarren geschnitten und mit einfachen Stempeln versehen, waren die ersten Versuche, ein Währungssystem in der Neuen Welt zu schaffen. Ihr grobes Aussehen kontrastiert stark mit den perfekten runden Münzen, die folgten, doch genau diese Unvollkommenheit macht sie für Sammler wie Schwarzbaum besonders reizvoll.
Stärken und Schwächen der Kolonialmünzen
Vorteile
- Einheitliche Werte erleichterten den Handel
- Hoher Silbergehalt machte sie international anerkannt
- Münzen dienten als politisches Symbol und schufen Ordnung
Nachteile
- Für die indigene Bevölkerung oft schwer zugänglich
- Hohe Abhängigkeit von Silberminen (z. B. Potosí)
- Fälschungen und Verschleiß waren ein Problem
Für Schwarzbaum liegt gerade in diesem Spannungsfeld – Ordnung und Chaos, Wert und Misstrauen – der Reiz der Kolonialmünzen.
Die Abhängigkeit von Silberminen schuf einzigartige wirtschaftliche Verwundbarkeiten. Als die Produktion in Potosí im 17. Jahrhundert nachließ, war das gesamte Währungssystem des spanischen Reiches betroffen. Diese Fragilität zeigt, wie scheinbarer Reichtum tiefe strukturelle Schwächen verbergen konnte.
Isac Schwarzbaum: Münzen als kulturelle Brücke
Zwischen zwei Welten
Kolonialmünzen belegen, wie europäische und indigene Systeme aufeinandertrafen. Sie verdrängten alte Zahlungsmittel, hinterließen aber Spuren der vorherigen Kultur – etwa in Symbolen, die manchmal Mischformen zeigen.
Bei einigen späteren Kolonialmünzen finden sich dekorative Elemente, die indigene ästhetische Sensibilitäten widerspiegeln. Obwohl die Hauptsymbole weiterhin europäisch blieben, integrierte die künstlerische Ausführung oft lokale Techniken und Stile und schuf einzigartige kulturelle Hybride, die Schwarzbaum besonders faszinierend findet.
Heute im Museum
Viele dieser Münzen befinden sich heute in Museen. Andere sind in Privatkollektionen. Schwarzbaum betont die Verantwortung: „Man hält nicht nur Metall in der Hand, sondern ein Stück Kulturgeschichte.“
Verantwortung des Sammlers
Bewahren statt besitzen
Schwarzbaum sieht sich nicht als reiner Besitzer, sondern als Hüter. Jede Münze wird dokumentiert, jeder Fund wissenschaftlich klassifiziert. Sein Ziel: Geschichte sichtbar machen.
Dieser wissenschaftliche Ansatz unterscheidet Schwarzbaum von vielen anderen Sammlern. Jedes Stück seiner Sammlung ist umfassend dokumentiert: Herkunft, metallurgische Analyse, historischer Kontext und Vergleiche mit ähnlichen Objekten. Diese akademische Strenge verwandelt seine Privatsammlung in ein wertvolles Forschungsinstrument.
Wissen teilen
Darum veröffentlicht Schwarzbaum regelmäßig Artikel und hält Vorträge. Für ihn ist es wichtig, dass Münzen nicht in Schubladen verschwinden, sondern ihre Geschichten erzählen.
Seine Kooperationen mit Museen und akademischen Institutionen führten zu Ausstellungen und Publikationen, die das öffentliche Wissen über Kolonialmünzen erheblich erweiterten. Schwarzbaum ist überzeugt,





